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Stricken trotz Handicap – die Idee hinter KnitaGAIN

Wollke Podcast

Nachhaltig gesponnen:
Die Idee: KnitaGAIN

Im Gespräch mit Britta Kremke über das Stricken mit Einschränkungen, neue Perspektiven und die Kraft der Gemeinschaft.

Dörte von Wollke spricht mit Britta Kremke über eine Idee, die das Potenzial hat, das Leben vieler Stricker*innen nachhaltig zu verändern: KnitaGAIN. Was passiert, wenn Stricken plötzlich nicht mehr möglich scheint – sei es durch Krankheit, Alter oder andere Einschränkungen? Britta erzählt von den persönlichen Erfahrungen und Gedanken, die sie zur Entwicklung dieser Plattform inspiriert haben. Gemeinsam beleuchten sie, wie wichtig Kreativität, Austausch und smarte Hilfsmittel gerade dann sein können, wenn einem das geliebte Hobby aus den Händen zu gleiten droht. Eine Folge über Mut, Innovation – und darüber, wie Inklusion in der Handarbeitswelt ganz konkret aussehen kann.

In diesem Interview mit Britta Kremke geht es um eine Idee, die gerade erst dabei ist, Form anzunehmen. Noch kein fertiges Projekt, keine große Plattform, aber vielleicht etwas, das richtig wichtig werden kann. Stellt euch vor, man strickt sein Leben lang, und dann geht es plötzlich nicht mehr so gut. Die Hände wollen nicht mehr so recht, die Schulter tut weh, die Augen machen es schwer, irgendwelche Krankheiten kommen dazu, und trotzdem ist da diese Lust, weiterzumachen. Britta Kremke hat genau da angesetzt. Sie hat sich gefragt, was wäre, wenn es einen Ort gäbe für Strickerinnen, denen es nicht mehr ganz so leicht von der Hand geht. Ein Ort, an dem man sich Tipps holt, Werkzeuge entdeckt, die helfen, und vielleicht sogar andere trifft, denen es genauso geht. KnitaGAIN heißt diese Idee. Und was daraus wird, das hängt auch davon ab, ob es Menschen gibt, die sagen, ja, genau so was brauchen wir. Heute wollen wir darüber sprechen, wie es dazu kam und wohin die Reise gehen könnte. Liebe Britta, schön, dass du da bist.

Britta: Hallo, Dörte. Ja, wir können an dieser Stelle direkt schon Schluss machen. Das war eigentlich schon eine tolle Einleitung. Ich freue mich, dass ich hier sein darf. Toll, vielen Dank.

Erzähl uns doch noch mal ein bisschen darüber, wie es zu dieser Idee gekommen ist. Gab es einen Auslöser oder einen persönlichen Moment, der dich zum Nachdenken brachte?

Britta: Ja, klar, so was braucht ja immer so einen kleinen Anstoß. Einige von euch kennen mich vielleicht als Gründerin von Kremke Soulwool, auch als Markeninhaberin. Ich habe mich etwas frühzeitiger aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und habe nun Zeit. Und dann guckt man eben, was läuft denn da draußen in der Welt. Und ja, die Begegnung mit der Frau eines Freundes, die nach einer Gehirn-OP einen Arm gar nicht mehr bewegen und nur noch schlecht laufen kann, hat mir dann die Augen geöffnet. Okay, das Leben kann auch ganz anders sein. Oh mein Gott, wie wäre das, wenn ich nicht mehr stricken kann? Ich stricke ja, seit ich zehn bin. Das wäre schrecklich. Auch meine Mama hatte Probleme später, im Alter. Und ich bin quasi im Wollgeschäft meiner Mutter aufgewachsen. Und da würde mir wirklich ein ganz wichtiger Teil in meinem Leben fehlen. Für Leute, die nicht stricken, klingt das nicht nachvollziehbar, aber das ist bei eingefleischten Stricker*innen wirklich so. Und gerade, wenn man mit Krankheiten oder Einschränkungen zu kämpfen hat, dann braucht man etwas Strahlendes, etwas, das einen irgendwie glücklich macht, motiviert und kreativ sein lässt.

Und dann fragte mein Mann plötzlich: „Du Schatz, kann ich mir einen 3D-Drucker kaufen?“ Daraufhin habe ich gesagt: „Ja, wenn du mir dann, wenn es soweit ist, vielleicht Prototypen druckst, die wir ausprobieren können, für Leute mit Einschränkungen, dann ja.“ Das ist der Deal.

Das hätte er sicherlich auch so gemacht, nehme ich an.

Britta: Du meinst den Drucker gekauft? Ja, glaube ich auch (lacht).

Was genau steckt hinter dem Namen KnitaGAIN? Was soll KnitaGAIN werden? Eine Plattform, ein Treffpunkt, ein Ratgeber? Du hast eben angedeutet, dass ihr darüber nachdenkt, neue Tools zu entwickeln. Was genau stellst du dir das vor?

Britta: Eigentlich wünsche ich mir eine hübsche, inspirierende Sammlung oder eine Anlaufstelle für alle, die irgendwie wegen eines Handicaps entweder gar nicht mehr stricken können oder mit einem Handicap irgendwie stricken und Tipps oder Hilfsmittel suchen. Aber ich kann mir hier alles Mögliche ausdenken. Deswegen machen wir diesen Podcast und fragen jetzt mal da draußen in der Community rum, wird überhaupt sowas gebraucht und was wird gebraucht? Und dann würde ich danach meine Schwerpunkte setzen. Im Moment ist meine Idee, wir finden vielleicht Videos mit unterschiedlichen Stricktechniken, zum Beispiel einhändiges Stricken. Es gibt schon Hilfsmittel, die sind ein bisschen komisch, aber auch die würden wir vorstellen. Und vielleicht ein Forum, wo Betroffene sich auch untereinander diskret austauschen können, ohne dass alles öffentlich ist.

Vielleicht bereite ich dieses Thema Knittingloom, diese Strickmühlen, einmal richtig schön auf. Da gibt es nämlich auch Sachen, die richtig gut sind, wie ich finde. Und das kann man zum Beispiel mit einer Hand machen. Wenn mir etwas einfällt, ein Hilfsmittel, ein Produkt, das es so noch nicht gibt, dann gucken wir, ob wir das nicht iproduzieren können. Im Übrigen gibt es Anleitungen, speziell für Menschen, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht mehr ordentlich konzentrieren können. Long-Covid ist da ein Stichwort oder Menschen, die gerade eine Chemo durchmachen.

Da gibt es  ganz tolle Anleitungen von Melanie Berg, das nennt sich Row Maps. Vielleicht veröffentliche ich Links zu diesen Anleitungen. Je nachdem, was meine Sparrings-Partnerinnen da draußen mir sagen ...

Ich bin sehr gespannt, welches Feedback du bekommst. Hast du bereits jetzt schon ganz konkrete Lösungen im Kopf?  

Britta: Ja, tatsächlich. Zum Beispiel dieses verkrampfte Den-Finger-hochhalten, um den Faden richtig zu spannen, das strengt auch mich an. Ich stelle mir eine Art Fadenhalter vor, der mit der optimalen Spannung den Faden so durchlaufen lässt, dass man trotzdem angenehm tricken kann. Nicht zu locker, nicht zu fest. Das würde mir vielleicht mit meinem linken und rechten Reihenproblem auch helfen, damit die Fadenspannung immer schön gleichmäßig ist. Ich oute mich jetzt mal: ich stricke jetzt über 50 Jahre und trotzdem sind meine Reihen immer noch noch unregelmäßig.

Ich selber habe ja auch schon zwei Schulter-OPs hinter mir, vom Stricken und Häkeln. Und ich glaube, auch dazu fällt mir vielleicht noch irgendetwas ein, wie man weniger verkrampft strickt.

Was wünschst du dir von der Community? Wie können Interessierte hier und heute deine Idee unterstützen oder mitgestalten?

Britta: Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn sich Menschen melden, die in irgendeiner Art betroffen sind oder Betroffene kennen oder jemanden kennen, der bereits eine tolle Lösung gefunden hat. Also, dass ihr da draußen euch meldet und dann dieses Portal mit Leben füllt. Vielleicht auch mal Prototypen testet, Videos findet oder sogar eins selber dreht, wenn ihr euch selbst ein Hilfsmittel "gebastelt" habt. Vielleicht schickt ihr Fotos oder auch einfach Berichte, wenn man im Hintergrund bleiben möchte. Und sehr, sehr gerne: Erfolgsgeschichten. Jemand, der wieder einen Einstieg gefunden hat – durch irgendeine kleine Sache. Ich wünsche mir rege Beteiligung. Ich kann es alleine nicht bespielen, weil ich glücklicherweise, in Klammern vielleicht noch, nicht betroffen bin. Auf jeden Fall brauche aich Hilfe.

Ein Blick in die Zukunft: Wo steht KnitaGAIN in einem Jahr? Und was wäre der nächste kleinste Schritt?

Britta: In einem Jahr haben wir da ein hübsches, und darum geht es mir wirklich, ein wirklich ansprechendes Portal: eine Webseite, eine Plattform, die von der Kommunikation lebt und auf der sich viele informieren und austauschen. Und ich wünsche mir, dass ich mindestens ein Produkt erfunden oder weiterentwickelt habe. Außerdem möchte ich mindestens eine richtig tolle Erfolgsgeschichte veröffentlichen, in der jemand erzählt, wie es  gewesen ist und wie sie (oder er) wieder, also again, zum Stricken gekommen ist.

Der nächste kleine Schritt ist tatsächlich der, den wir gerade machen: Ich gehe nach außen mit einer Pilotidee und gucke mal, was da kommt. Und das möchte ich so schnell wie möglich machen, denn diese Plattform, die ist jetzt in meinem Kopf schon so präsent und nimmt auch in meiner Gedankenwelt schon so einen großen Raum ein. Und wenn ich feststellen muss, hey, da kommt überhaupt keine Resonanz, dann denke ich mir was Neues aus.

Was würdest du jemandem mit auf dem Weg geben, der gerade mit dem Gedanken spielt, das Stricken aufzugeben?

Britta: Es kommt natürlich darauf an, warum möchte der- oder diejenige das Stricken aufgeben. Wenn die Beeinträchtigung so stark ist, es noch schmerzt oder das Trauma noch sehr frisch ist, da hilft auch kein kluger Spruch. Aber ansonsten? Ganz ehrlich: ich habe selber versucht, mit einer Hand zu stricken und mir hilfsmittelmäßig verschiedene Sachen gebaut. Das ist frustrierend. Da muss man schon extrem viel Geduld haben. Und jetzt einfach jemandem zu sagen, ja, hab Geduld, das wird nicht hilfreich sein. Eigentlich sind Stricker*innen ja per se geduldig. Und sie sind Perfektionisten. Als ich versuchte, mit einer Hand zu stricken, da war ich frustriert. Bei mir geht nichts unter einem Pullover. Wenn ich stricke, dann einen Pullover mit Nadelstärke 2. Da habe ich lange etwas davon, und das finde ich toll.

Vielleicht muss man aber in solch einer Situation umdenken und sich selber nicht so unter Druck setzen. Zum Beispiel der Knitting-Loom, dieses runde Ding. Okay, ich kann damit einen Schlauch produzieren, und was mache ich dann damit? Jetzt aber habe ich mich damit beschäftigt. Und ich weiß jetzt, dass man damit unheimlich schöne Sachen produzieren kann, die eben keine Pullover sind und trotzdem Spaß machen können, anspruchsvoll aussehen und nicht billig und anfängermäßig. Aber es ist Übung. Arnold Schwarzenegger hat gesagt, es gibt keine Abkürzungen. Es sind immer Wiederholungen, Wiederholungen, Wiederholungen.

Vielen Dank, Britta!

Und das war's schon für heute ... unsere kleine Podcast-Folge über eine Idee, die vielleicht noch ganz am Anfang steht, aber schon jetzt ganz viel auslöst. Wenn euch das Thema also berührt hat, wenn ihr selbst Erfahrungen gemacht habt oder Tools kennt, die helfen könnten, dann teilt sie. Erzählt anderen davon, schreibt uns, schreibt Britta. Die E-Mail verlinke ich unter dem Beitrag. Denn was aus KnitaGAIN werden kann, entscheidet ihr, durch den Austausch, durch Gemeinschaft, durch eure Stimmen.

Danke, dass ihr dabei wart. Und wie immer gilt, lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Handarbeit für alle möglich bleibt. Mit Herz und Verstand. Und mit solchen engagierten Menschen wie dir, liebe Britta. Ich sage tschüss und bis zum nächsten Mal.

Und so erreicht uns euer Feedback:

Entweder ihr schreibt Britta direkt unter: [email protected] ODER ihr schreibt mir unter: [email protected] ODER ihr schildert eure Erfahrungen, Ideen und Bedürfnisse in dem Kommentarfeld unter diesem Artikel.

Unter allen E-Mails bzw. Kommentaren verlosen wir drei Ergo-Strick-Startersets von Wollke. Wir sagen an dieser Stelle schon mal Danke und freuen uns auf eure Beiträge!

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